Frauenmond
Vor langer Zeit gab es einen Adawehi (Ahnengeist), der den Menschen
Nvyunuwi (In Steine gekleidet) gar nicht wohlgesonnen war. Die
Menschen hatten durch ihn viele Sorgen, denn wem immer er begegnete,
wurde von ihm auf magische Weise getötet und verspeist. Viele
Krieger und Schamanen hatten versucht ihn zu töten, aber
nichts schien zu nützen..
Seine Haut war felsenhart und kein Pfeil oder Speer konnte ihn
so durchbohren. Auch war seine Medizin viel zu stark, sodass ihm
auch von den Schamanen nicht beizukommen war.
Eines Tages war einer der Jäger, weit von seiner Siedlung
entfernt, unterwegs. Er sah Nvyunuwi auf der anderen Seite des
Bergkammes. Dieser alte Mann wanderte mit seinem hell leuchtendem
Stab aus Stein. Er hielt ihn in den Wind, holte ihn wieder herunter
und roch mehrere Male daran. Dann zeigte er mit dem Stab in die
Richtung des Dorfes, holte ihn wieder herunter und roch abermals
daran. Dann setzte er sich in Richtung des Dorfes in Bewegung.
Der Jäger geriet in Panik und lief, so schnell er konnte,
zum Dorf zurück um die andere Menschen vor der drohenden
Gefahr zu warnen. Die anderen fürchteten sich ebenfalls sehr
und riefen: Was sollen wir tun? Was sollen wir nur tun??
Sie wussten, dass sie keine Möglichkeit hatten, diesem Ungeheuer
zu entkommen - er musste nicht rasten und sobald er einen Weg
gefunden haben würde, würde ihn sein Stab wie einen
Jagdhund an sein Ziel führen. Die Menschen wendeten sich,
um Hilfe zu bekommen, an den Schamanen. Dieser wusste aber, dass
seine Medizin nichts bewirken könnte. Seine Frau aber meldete
sich zu Wort und eröffnete ihm einen Plan. Er hörte
zu und stimmte ihr zu, dass das vielleicht funktionieren könnte.
Der Schamane sprach zu den Menschen und bat sie, sieben junge
Frauen, die gerade zu menstruieren begonnen hatten, zu finden
- eine aus jedem der sieben Clans. Dann wies der Schamane die
jungen Frauen an, sich vollkommen nackt auszuziehen und sich entlang
des Pfades, welcher zur Siedlung führte, aufzustellen. Von
der ersten bis zur nächsten, sollten sieben Schritte abstand
sein und die letzte in der Reihe sollte diejenige sein, welche
am kürzesten bluten würde. Er sprach ihnen noch Mut
zu und versprach ihnen, dass sie kein Leid erfahren würden,
wenn sie tapfer wären und nicht weglaufen würden, wenn
der Alte Mann des Weges kommen würde. So standen sie dort
und warteten.
Schon nach kurzer Zeit hörten sie Nvyunuwi über den
Pfad kommen, der den Weg mit Hilfe seines magischen Stabes erfühlte.
Er kam um die Wegbiegung, wo die erste junge Frau bereits stand.
Sobald er nach genug war, damit seine alten Augen sie erblicken
konnten, schreckte er erstaunt zurück und sagte: Oh,
Enkelin! In welch schlechtem Zustand bist Du! Er beeilte
sich um schnell an ihr vorbei zu kommen, kam aber schon zum nächsten
Mädchen, dem er zurief: Oh, mein Kind! Dir geht es
furchtbar schlecht! Wieder versuchte er so schnell als möglich
wegzukommen, aber dabei erbrach er schon Blut. Er hetzte weiter
zur dritten, zur vierten, fünften und sechsten jungen Frau
und mit jeder die er passierte, wurde er schwächer und stolperte
nur so über den Pfad. Als er bei dem letzten Mädchen
angekommen war, welches gerade erst zu bluten begonnen hatte,
fiel er zu Boden und das Blut kam wie ein Springbrunnen aus seinem
Mund geschossen.
Als der Schamane das sah, sprang er gemeinsam mit den jungen Kriegern
aus dem Versteck und nagelte den Alten mit sieben langen Stäben
an die Erde. Als die Nacht kam, stapelten sie große Holzscheite
auf seinen Körper und setzten diese mit einer am Atsila Galvkawetiyu
(heiligen Feuer) entzündeten Fackel in Brand. Alle Menschen
kamen um sich das anzusehen. Nvyunuwi war ein mächtiger Adawehi
und begann, als das Feuer immer näher kam, zu reden und ihnen
die Medizin für alle verschiedenen Arten von Krankheiten
zu erzählen. Als es Mitternacht wurde, begann er zu singen
und brachte ihnen die Jagdlieder bei, mit denen sie Hirsche, Bären
und all die anderen Tiere der Wälder und Berge rufen konnten.
Das Feuer wurde immer heißer und da hörte er auf zu
sprechen.
Der Schamane ließ die Asche wegrechen und wo der Körper
gelegen hatte, da lag nur ein großer Brocken roten Wodi
´s, eines magischen Ulvsuti (Steins) und der Stab von Nvyunuwi.
Den Stein behielt der Schamane für sich selbst und gab seiner
Frau den magischen Stab, denn schließlich war es ihre Idee
gewesen, welche die Menschen gerettet hatte. Dann rief er die
Leute zusammen und bemalte ihnen mit dem roten Wodi jeweils das
Gesicht und die Brust. Was es auch immer war, wofür die Menschen
während des Bemalens beteten, für Jagdglück, langes
Leben oder viele Kinder, sie erhielten dieses Geschenk. Awanisgi
(I am done) Ende der Geschichte
Die Macht der Frauen
Die Gesellschaft hat sehr viel dazu beigetragen, dass sich Frauen
an ihren Mondtagen (auf ihrem Mond wie
der Tsaglagi-Ausdruck dafür heißt) unrein fühlen
oder sich schämen. Diese Betrachtungsweise passt aber nicht
in dem Medizinweg des Lebens. Die Mondtage einer Frau, obwohl
sie oftmals als der Fluch bezeichnet werden, sind
eigentlich ein Segen und ein Geschenk. Während dieser Zeit
ist der natürliche Fluss an Lebensmedizin, die weibliche
Verbindung mit der Erdenmutter, stärker. Sie ist machtvoller
als sie es an anderen Zeiten des Monats sein mag. Die Erdenmutter
ist die Quelle allen Lebens, genauso wie es die Frau, die Gebärerin
des Lebens, für die Menschheit ist. Der natürliche Fluss
der Erdenergien zeigt sich durch und in den Frauen als Menstruation.
Diese bezeichnet deren Verbindung mit der universalen Lebensenergie
in einer Form, von der Männer nur träumen können.
Die Geschichte über Nvyunuwi und die sieben Mädchen,
wird traditionell erzählt um dabei zu helfen, die Macht der
Frauen zu lehren.
Nvyunuwi ist ein furchtbares Ungeheuer, welches keiner töten
kann. Eine zerstörerische Kraft, die alles und jeden, der
mit ihr in Kontakt kommt vernichtet. Als ob das nicht schon schlimm
genug wäre, hat er auch noch eine unverletzliche Haut und
ist gegen jedwede schamanische Medizin immun. Aber es gibt eine
Sache, die ihn aufhalten kann - eine stärkere Art von Medizin.
Sieben Mädchen, für die sieben Clans der Tsalagi, repräsentieren
die Einheit der Menschen. Sie alle menstruieren und stehen eng
in Verbindung mit der lebensspendenden Kraft der Erdmutter. Das
ist mehr als genug Medizin um das Ungeheuer auf die Knie zu zwingen.
Um die Kreatur dann endgültig zu töten, wird auf ihm
ein Feuer in Gang gebracht. Dieses wird von der Heiligen Flamme
genährt - der Macht der Ahnen - welche das Ungeheuer dann
von der materiellen Welt in die Geisterwelt schickt.
Die natürliche Medizin einer menstruierenden Frau, ist eine
starke Kraft, mit der gerechnet werden sollte. Sie ist stark genug,
dass allein der Überschuss ausreicht um die Medizin von Sprüchen,
Talismanen, Werkzeugen und sogar der Medizinpfeife zu blocken
oder umzukehren. Obwohl es also sehr starke und machtvolle Medizin
ist, so ist sie doch meist unfokussiert. Das ist der Hauptgrund
der Wirksamkeit. In einem solch rohen Stadium der Energie wird
jegliche geleitete Energie die in Werkzeug wirksam wäre,
einfach überlagert.
Glücklicherweise können Dinge wie die Pfeife oder andere
Ritualwerkzeuge durch einen Zauber geschützt werden. Osha
Root oder Bärenwurzel (Ligusticim porteri) wird in roten
Stoff gewickelt und in der Nähe der zu schützenden Objekte
aufbewahrt. Alternativ dazu, könnte ein Säckchen mit
frischem oder getrocknetem Salbei (Salvia officinalis oder anderen
Varietäten) gefüllt werden, das die betreffende Frau
dann um den Hals trägt. Dadurch werden die Energien geklärt.
Aber sogar dann sollte noch Obacht gegeben werden, dass die menstruierende
Frau nicht unbeabsichtigt, durch einfache Berührung, einen
Kurzschluss in einem fremden magischen Werkzeug hervorruft.
Wenn du selbst die menstruierende Frau bist, dann versteht sich
von selbst, dass dies nun eine außergewöhnlich gute
Zeit ist, um Energien zu fokussieren und um sie in ein Ritual,
eine eigene Medizin-Arbeit oder ein Werkzeug einfließen
zu lassen. Der Tradition folgend, würde eine menstruierende
Frau sich in Gebeten absondern. Nicht weil sie ausgestoßen
wäre, sondern, weil dies eine Zeit der Starken Medizin ist.
Jetzt könnten Visionen und Träume an Klarheit gewinnen
oder es mag möglich sein, die Stimmen der Totem Spirits und
Führer deutlicher zu hören. Nimm dir Zeit um zu meditieren
und werde dir über die Quelle der Macht bewusst, welche sich
in dir befindet.
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